Montag, 30. August 2010

Kigali, Ruanda
































































Etwa 500 Kilometer südwestlich von Kampala entfernt liegt Kigali, die Hauptstadt Ruandas. Ich nutzte ein verlängertes Wochenende, um dem Land mit dieser bewegten Geschichte einen Besuch abzustatten. Wie auch nach Gulu fahren hier die Überlandbusse von verschiedenen Firmen. Der "Jaguar" fuhr um 1 Uhr nachts los. Leider hatte ich neben mir einen Bär von Mann sitzen, sodass ich für die Hälfte der Fahrt, bis endlich jemand ausgestiegen war, mit etwa 35cm Sitzbreite zu kämpfen hatte. Das rädert einen ganz schön. In der Früh gegen 6 Uhr erreicht man die ugandisch-ruandische Grenze bei Katuna. Die Einreise nach Ruanda ist für EU-Bürger kostenlos. Während der Grenzpassage, die eine gute Stunde dauert, bekommt man durch den Morgennebel bei Sonnenaufgang einen schönen Vorgeschmack auf das "Pays des mille collines", das Land der tausend Hügel. An der Grenzabfertigung stauen sich natürlich unzählige LKW, der EU und Schengen sei Dank, dass solche langwierigen Grenzübertritte unter Nachbarländern bei uns nur noch ferne Erinnerung sind. Nach Kigali sind es dann nochmal etwa 100 Kilometer.

Als wir endlich ankamen, stürmte ich aus dem Bus, freudig, mich in eine quirlige Großstadt zu stürzen, in ein belebtes Cafe zu treten, ersteinmal ausgiebig frühstücken.
Da war aber nix. Null Verkehr, wenig Leute, alle (!) Läden geschlossen. Fehlte nur noch diese vorbeiwehende Strohkugel aus den Westernfilmen. Es lag weder an der Uhrzeit noch am Wochentag (Samstag). Es war: Umuganda-Day! Jeden letzten Samstag im Monat wird die ruandische Bevölkerung aufgerufen, Dienst am Gemeinwesen zu üben. Es bedeutet, dass jeder volljährige Einwohner, der körperlich in der Lage ist, mit seiner Umuganda-Gruppe (Umuganda heisst sowas wie "Beitrag") Wege ausbessert, Bäume schneidet, Blumenbeete pflegt, Strassen mit dürrebedingt eigentlich kostbarem Wasser reinigt. Die fleissigen Leute auf den Bildern in Arbeitskleidung, wie den gelben Westen oder Blaumännern, sind alles keine kommunalen Angestellten, sondern tatsächlich bloss normale EInwohner! Sich drücken? Is' nich!, das ganze ist nämlich staatlich sanktioniert und wird bei Verstoß finanziell bis hin zu kurzer Haft geahndet. Um etwa 13 Uhr endet das ganze. Dann hat das ganze Land volle 4 Stunden unbezahlt gearbeitet. Ich finde, dies ist eine sympathische Idee (und ein gutes Thema für eine Erörterung im Schulaufsatz!!), es gilt als identitätsstiftend, da etwa 50-150 Haushalte aus einer Nachbarschaft in Gruppen zusammengefasst werden, Kontakte entstehen und Probleme besprochen werden können. Leider sehen dann manche geplasterte Wege, die nicht von Strassenbauern, sondern von Buchhaltern o.ä. ausgebessert wurden, stellenweise einfach stümperhaft aus ;)

Auch sonst ist eine für ein afrikanisches Land fast preußische Ordnung vorhanden. Die Boda-Fahrer haben Registriernummern auf dem Leibchen und sogar Helme für sich und den Fahrgast. Die Fahrbahnen sind sicher und sauber, es liegt kaum Müll auf Strassen und in Strassengräben wie in Uganda, Plastiktüten sind sogar verboten. Ampeln gelten nicht nur als unverbindliche Empfehlung (man fährt übrigens rechts), und vor allem sind sie intakt. So glatt und neu die Strassen sind, so sehr spiegeln sie das schlechte Gewissen der Weltgemeinschaft wieder, beim Völkermord 1994 unfassbar versagt zu haben - Ruanda ist heute von Entwicklungshilfe überschwemmt, kein anderes Land erhält mehr pro Kopf.

Dem Genozid und den Memorials widme ich einen eigenen Beitrag. Einen ersten Kontakt zu dem Thema stellt das "Hotel des Mille Collines" in der Innenstadt dar. Während des Mordens hat der Manager des Hotels, Paul Rusasebagina, selbst ein Hutu, über 1200 Tutsis aufgenommen und damit das Leben gerettet - ein moderner Oskar Schindler. Die Hutu-Milizen konnte er mit großzügigen Gaben aus dem Hotelsafe und der Hotelbar auf Distanz halten, während die Eingeschlossenen das Wasser aus dem Pool trinken mussten. Die Geschichte wird im Film "Hotel Ruanda" von 2004 nacherzählt, ein sehenswerter Film.

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